Startseite Insights Hendricks-Kolumne Lizenz zum Töten

Immer unverfrorener melken Softwarehersteller ihre Kunden, stören sie bei der Arbeit – und höhlen die Eigentumsrechte der Nutzer aus. Unternehmen sollten angesichts dieser Praktiken wachsam sein.

Im Jahre 1989 wurde der James Bond Film „Licence to Kill“ in die Kinos gebracht. Eine Zeit, in der Microsoft seine ersten Windows-Systeme auf den Markt brachte und Bill Gates mit seiner Lizenzbindung zum reichsten Mann der Welt avancierte. Wir haben mit jedem Computer ein Windows-Zertifikat bekommen, erst einfach gedruckt und mit CD, später nur noch mit bunt schillernden Hologrammen, wie man sie von heutigen Geldscheinen kennt. Ich weiß nicht, ob daher auch der Begriff „Lizenz zum Gelddrucken“ kommt, aber die Analogie liegt nahe.

Wir waren es gewöhnt Software zu kaufen, zu besitzen und auch anzupassen. Mit vielen Programmen haben wir sogar eigene Lösungen entwickelt und vertrieben. Streng im Sinne „usus, abusus, frucutus“ – drei Begriffe, die im juristischen Sinne Merkmale für Eigentum sind. Wir waren also Eigentümer der erworbenen Software, auch wenn dies einigen Herstellern ein Dorn im Auge war. Wir konnten frei entscheiden, ob wir auf eine neue Version wechselten oder zufrieden mit der alten Lösung arbeiteten.

Wir hatten die „Licence to Work“! Natürlich gab es auch da die ein oder andere Schwierigkeit. Oft konnte oder durfte man die Software nur auf einem Gerät installieren. Lizenzcodes gab es nur auf einem Beipackzettel oder auf der CD. Hatte man sie verloren, Pech gehabt.

Im Bereich der Business-Software wurden ebenfalls Einzellizenzen vergeben, die mehr oder weniger leicht zu verwalten waren. Zur einfacheren Handhabung und sehr kundenfreundlich wurde sogenannte Concurrent-User-Lizenzen verkauft. Die Software konnte so oft wie nötig installiert werden, aber ein Server wachte darüber, dass immer so viele Anwender gleichzeitig auf dem System arbeiten durften, wie Lizenzen vorhanden waren. Das war aber wohl zu kundenfreundlich und nicht geschäftsförderlich. Jedenfalls wurde dieses Modell bald abgeschafft und es kamen neue, viel komplexere Lizenzierungsmethoden auf.

«Skyfall» in der IT-Welt.

Etwas mehr als zwanzig Jahre nach „Licence to Kill“ kam „Skyfall“ mit dem neuen Bond-Darsteller Daniel Craig heraus. Düster und unnahbar, spiegelt er einen neuen Charakter von Held in einer neuen Zeit. Die einzige Angst der Gallier war ja bekanntlich, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fiele – Skyfall halt. Und dieser Skyfall kam auch über uns – in Form der Software-Abo’s und „Software Compliance Audits“. Heute mietet man Software. Man besitzt sie nur noch. Dafür dürfen wir sie immer wieder aktivieren, als Nachweis, dass wir nach wie vor berechtigt sind zu arbeiten.

Dumm nur, wenn, wie zuletzt bei meiner Frau, die Internetverbindung nicht verfügbar war und Office 365 eine Aktivierungsprüfung einforderte. Meine Frau, konzentriert auf die Arbeit und wenig interessiert an irgendeinem technischen Hintergrund, arbeitete an einer aufwendigen Excel-Liste und vertraute auf die automatische Sicherung. Vielleicht ahnen Sie, was dann passierte. Die Software hängte sich auf, die Datei war verloren und wurde eben nicht gesichert, weil ohne Aktivierung eine Sicherung nicht mehr möglich war.

Nur noch einmal zum Verständnis – stellen Sie sich vor, sie möchten in ihre gemietete Wohnung, die Miete ist ordnungsgemäß per Dauerauftrag bezahlt und plötzlich verweigert das Schloss Ihnen den Zugang. Die Prüfung, ob sie berechtigt sind, dort zu wohnen war kurzfristig nicht möglich. Schlechtes Beispiel? Warten Sie mal ab, was uns mit dem Thema «Smart Home» noch ins Haus steht.

Komplexe Abrechnungsmodelle als Gelddruckmaschine.

Es freut mich, wenn auch im Bereich der Nutzung von Software neue, intelligente Abrechnungsmodelle gefunden werden. Aber bitteschön nicht auf Kosten der Benutzerfreundlichkeit. Sonst wird aus Customer Centricity schnell „Wallet Centricity“.

Ein Beispiel aus der Geschäftswelt gefällig? Heute bieten die großen Hersteller wie IBM, Microsoft und SAP Kurse an, um beim Kunden eigens dafür abgestellte Mitarbeiter zu schulen, damit diese überhaupt in der Lage sind, die Lizenzmodelle zu verstehen. Natürlich kostenpflichtig.
Und was, wenn da etwas schiefgeht? Es droht die Keule „Software Compliance Audit“. Die Hersteller haben heute schon lange aufgehört, Lizenzprüfungsmechanismen in ihre Systeme einzubauen. Sie überlassen es den Unternehmen darauf zu achten, dass kein Missbrauch stattfindet. Allerdings sind viele Lizenzmodelle derart komplex, dass man sich kontinuierlich mit einem Bein im Gefängnis oder zumindest in der Illegalität wähnt. Und natürlich beauftragt man unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit dem Audit. Stellt man fest, dass es zu einer vertraglich nicht abgesicherten Nutzung kam, so droht die Nachlizenzierung zum Listenpreis. Auch in unserem Kundenumfeld haben wir diese Praxis erlebt und das mit erheblichem Ärger auf Seiten der Kunden.

Ohne in das Juristische abdriften zu wollen, gibt es noch mehr spannende Themen, wie zum Beispiel „Indirect Use“ – wo es noch schwieriger wird eine Lizenzüberwachung vorzunehmen, weil Drittsoftware oder Eigenentwicklungen viele Anwender über nur einen einzigen lizenzpflichtigen Port der Basissoftware anbinden.

Natürlich sind die Interessen der Softwarehersteller, ihr Intellectual Property zu schützen und angemessen vergütet zu bekommen, legitim. Aber bitteschön transparent und nicht zu Lasten der Kundenfreundlichkeit. Sonst wird aus der „Lizenz zum Töten“ nur noch das „Abonnement zum Töten“ und hoffentlich findet im entscheidenden Moment dann keine Internetabfrage zur Bedienung des Abzuges statt – es wäre schade um James Bond!

Autor: Frank Hendricks, geschäftsführender Gesellschafter von HENDRICKS, ROST & CIE.

Diese Web-Version stellt die ungekürzte Fassung der Kolumne dar.
Für das BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE wurde der Text leicht gekürzt.

Quelle: BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE, www.bi-magazine.net
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